Neues vom Schatullenproduzenten

29.11.17

Zu Beginn der Weihnachtszeit möchte ich Sie wie immer auf die Neuheiten der diesjährigen Produktion hinweisen. Zugegeben, nicht ohne Hintergedanken, denn vielleicht suchen Sie ja noch eine Wichtelüberraschung für Ihre Abteilungsleiterin, eine Festgabe für den Ex-Schwiegervater oder das »besondere« Geschenk für eine Freundin, der Sie – mit Hintergedanken? – beweisen möchten, dass von Ihnen, alles in allem, mehr zu erwarten ist als Stangenware von Manufactum.

Apropos. Der Seitenhieb auf die Konkurrenz ist natürlich kein unbeholfener Versuch, sich einen kleinen Marktvorteil zu verschaffen. Er liefert nur das Stichwort, um endlich einmal ein grundsätzliches Problem anzusprechen. Der Schatullenproduzent Ihres Vertrauens geht ja noch einer anderen Tätigkeit nach, einem Beruf, in dem von ihm Beweise für die Existenz eines sogenannten Sprachgefühls erwartet werden. Nun zeigt sich diese Gabe für den einen Leser in dieser Eigenschaft, für den anderen in jener. Ein Autor muss damit leben, dass seine Texte von manchen gemocht werden, von manchen nicht; das enthusiastischste Lob sollte ihm darum höchstens ein mildes, der gehässigste Verriss nicht mehr als ein spöttisches Lächeln abringen. Aber niemals, niemals, ich wiederhole: niemals darf er den Vorwurf auf sich sitzen lassen, was er da geschrieben habe, klinge wie aus einem Manufactum-Katalog.

Normalerweise lässt sich dieses Risiko recht gut kontrollieren. Aber das Verfassen von Werbetexten für handwerkliche Spitzenprodukte ist der sprichwörtliche Ritt auf der Rasierklinge. Ganz vermeiden lassen sich Wörter wie »perfekt« und »edel« nicht. Umso wichtiger sind daher die Wörter, von denen diese unvermeidlichen Übel gerahmt werden. Die kleinste Einheit des Kitsches ist nunmal nicht das Wort, sondern der Satz. Vor genau einem Jahr, in meiner Adventsbotschaft an Sie, passierte es dann aber doch. Ich schrieb einen Satz, vor dem mein Schriftstellergewissen mich hätte bewahren müssen. Tat es aber nicht. Stattdessen machten mich, nachdem er geschrieben und veröffentlicht war, zwei Freunde auf diesen Satz aufmerksam, unter denkbar demütigen Umständen.

Die Schriftstellerin P. ist als erbarmungslose Phrasenvernichterin gefüchtet, der Lektor G. hat einen Ruf als Entdecker, Fördererer und Betreuer von literarischen Stilgöttern. Das Unglück wollte es, dass ausgerechnet diese beiden sich auf einer gemeinsamen Autofahrt, in einer Mischung aus Boshaftigkeit und Langeweile, gegenseitig Texte von dieser Website vorlasen und dabei auf den besagten Satz stießen. Ich erspare Ihnen und mir die Beschreibung des Hohns, der sich für den Rest der Fahrt über mich ergoss. Erst recht werde ich den schlimmen Satz hier nicht wiederholen, denn natürlich ist er längst gelöscht. Wenn Sie sich nicht an ihn erinnern, weil er Ihnen seinerzeit nicht auffiel, dann beruhigt mich das. Aber Sie sollte es beunruhigen, denn offenbar hat vor einem Jahr nicht nur mein sprachliches Gewissen versagt, sondern auch Ihr Warnsystem für verlogene Plastiksprache.

Sei's drum, was passiert ist, ist passiert. Erwähnt habe ich es ohnehin nur aus zwei Gründen. Zum einen, um mich bei all den aufmerksamen und gütigen Freunden des Hauses, die den Satz bemerkt haben, ohne mir die Treue aufzukündigen, zu entschuldigen und zu bedanken. Zum anderen, um zu erläutern, warum die folgenden Sätze ganz prosaisch, also ohne jedes Risiko verfasst wurden. Fast möchte ich behaupten, dass es kein Euphemismus ist, wenn ich sie einfach als das bezeichne, was sie sind: Produkthinweise.

Riegelahorn

Scrollen Sie bitte noch einmal nach oben und schauen sich, nachdem Sie es mit einem Click vergrößert haben, das Bild an. Darauf sehen Sie eine von zwei Schatullenfamilien, die 2017 neu entstanden sind. Im letzten Jahr waren es die Modelle aus Japanlack, nun kommen eine Serie aus Riegelahorn und eine aus Zebrano hinzu. Massiven Riegelahorn haben wir bereits regulär verarbeitet, und zwar an prominenter Stelle: No. 508 ist unser Posterboy, das – für meinen Geschmack – spektakulärste und – für Ihren Geldbeutel – teuerste Stück im ganzen Sortiment. Nicht umsonst eröffnet die Diashow auf der Startseite mit ihm.

Ich kenne kein anderes Holz, dessen Anblick unter Schellack derart gewinnt. Schon im Rohschnitt glänzen und oszillieren die hellen Streifen wie Perlmutt. Aber erst die mehrschichtige Politur verleiht ihnen eine Tiefe und eine Dynamik, die an Sonnenstrahlen erinnert. Nicht umsonst gehört der Riegelahorn zu den teuersten europäischen Holzarten, die nur für besondere Zwecke verwendet werden, vor allem den Bau hochwertiger Saiteninstrumente. Seit Stradivaris Zeiten werden etwa Zargen und Böden von Konzertgeigen aus Riegelahorn gefertigt. Das von uns verwendete Holz wächst in den Bergen Bosniens, wir kaufen es in Hamburg, von wo es über London nach Marokko verschifft wird. Und dort machen unsere Meister was daraus? Genau, Meisterstücke. Schauen Sie sich bei den Schreibtischschatullen und den Vielzweckschatullen um, dort bekommen Sie eine Ahnung, was ich meine.

Zebrano

Die andere Serie, deren Prototypen Sie rechts im Bild sehen, ist aus Zebrano, einem Holz, mit dem wir ebenfalls ausgezeichnete Erfahrungen gemacht haben. Aber nur als Furnier: Die »geometrische«, eher von der Struktur als vom Bild geprägte Maserung passt ideal zu der – beim Furnieren unvermeidlichen – strengen Quaderform; genauso wie die gewachste Oberfläche, die einen »zweidimensionalen«, nicht in die Tiefe gehenden Anblick bietet, dafür aber dem Tastsinn umso mehr schmeichelt.

Massiv haben wir Zebrano bisher nur ein einziges Mal verarbeitet, für eine Sonderanfertigung: eine Vitrinenschatulle zur Aufbewahrung von Insekten aus Muranoglas. Als ich das fertige Stück in den Händen hielt, überraschte mich der Unterschied zum Furnier. Man sollte meinen, dass in beiden Fällen nur die Oberfläche des Holzes zu sehen ist. Tatsächlich aber bietet – auch wenn ich es mir nicht erklären kann – das massive Werkstück einen deutlich »satteren« Anblick: die Farben sind intensiver, die Kontraste stärker, und dank der runden Formen, die mit Furnier nicht möglich sind, ist der ohnehin betörende Tasteindruck von gewachstem Holz noch wärmer und weicher. Kurzum, das Einzelstück ist so wunderbar geworden, dass die Idee, eine ganze Serie aus massivem Zebranoholz zu entwerfen, sich geradzu aufzwang. Voilà, hier ist sie. Einzelheiten zu den Modellen finden Sie ebenfalls auf den Seiten für Schreibtischschatullen und Vielzweckschatullen.

Weihnachtsmarkt

Zur Sicherheit habe ich das Geschriebene heute doppelt kontrolliert. Dabei sind mir sechs Wörter aufgefallen, die ich mir unter den weniger strengen Qualitätskriterien eines Gebrauchstextes gerade noch so durchgehen lasse: »spektakulär«, »hochwertig«, »Meisterstück«, »intensiv«, »betörend« (puh, grenzwertig…) und »wunderbar«. Soweit ich sehe, steht aber keines davon in einem Satz, den ihr, liebe P. und lieber G., guten Gewissens als »manufactumhaft« verhöhnen dürftet.

Fast genauso viel Spott wie Plastiksätze, die einen auf einzigartig machen, rufen in meinem hochwertigen Freundeskreis übrigens Weihnachtsmärkte hervor, die in den 1970er Jahren gegründet wurden, aber so tun, als seien sie mindestens so alt und ehrwürdig wie das deutsche Reinheitsgebot. Verständlicherweise. Aber ist es nicht etwas zu streng, Illusionen auf ihre Echtheit zu überprüfen? Wie auch immer, der Weihnachtsmarkt im Freilichtmuseum Hagen (der Name täuscht, angemessener wäre: am Rande des Sauerlands) ist jedenfalls so knallermäßig schön, dass ihn meinetwegen auch eine Werbeagentur im Auftrag der Schlümpfe aus dem Boden hätte stampfen dürfen. Vom 1. bis 3. Dezember werde ich dort meinen Stand aufbauen, ganz oben, in der alten Seilerei, wo man den Mäckingerbach rauschen hört und ab spätnachmittags der Mond durch hohe Tannen scheint – wenn es nicht schneit. Aber natürlich finden Sie das ganze Programm auch hier, nur eben ohne Rauschen und Mondlicht: Bühne frei!

Zurück