Ende November…

23.11.15

Es schneit, und ich sitze am Schreibtisch. Womöglich klingt dieser Satz für Sie weniger spektakulär als für mich. Dann wissen Sie vermutlich nicht, dass heute in Münster der Weihnachtsmarkt beginnt. Und dass wir nach 21 Jahren das erste Mal nicht dabei sind. Es gab gute Gründe für diesen Schritt, von denen der wichtigste die weite Entfernung von Berlin ist. Trotzdem sind wir traurig darüber. Denn der Stand lief ja prächtig, der Zuspruch war ungebrochen groß, jedes Jahr aufs Neue gesellten sich zu den treuen Dauerbesuchern neue Kunden, die uns überraschenderweise noch nie bemerkt hatten. Und es hat uns großen Spaß gemacht. Wir fühlten uns wohl in der hinteren Ecke des Aegidii-Hofes. Umgeben von netten Nachbarn wie dem Gewürzhandel Niggemeier oder Saskia Löwenkamp mit ihrem kleinen Café fanden wir dort – mitten im Gewühl des Markes – die nötige Ruhe.

Ruhe auf dem Weihnachtsmarkt? Nötig wozu? Nun, um sich zu unterhalten. Denn wenn unseren Stand eines ausgezeichnet hat, dann waren es die unzähligen Gespräche, die wir mit Ihnen geführt haben. Das klingt romantischer, als es gemeint ist. Natürlich wollten wir unsere Schatullen verkaufen. Aber es wurden eben nicht nur Verkaufsgespräche geführt. Ein Marktstand ist ja eine merkwürdige Sache. Einerseits ist es ein Geschäft, das liegt auf der Hand. Aber es ist kein Ladenlokal. Einen Weihnachtsmarktstand betritt man nicht, man tritt an ihn heran. Wie an ein offenes Schaufenster. Oder an eine Bühne. Dass es sich um einen ausgeleuchteten, gegenüber der Umgebung leicht erhöhten Raum in dunkler Umgebung handelt, verstärkt diesen Eindruck. Das Publikum wechselt ständig, wie früher, als man Konzertsäle und Theater auch während der Vorstellung nach Belieben betrat und verließ, und es ist nicht passiv. Sicher, manche schauen nur und gehen weiter. Meistens aber kommt es wenigstens zu einer Unterhaltung.

Vielleicht fragen wir Sie, ganz konventionell, ob wir helfen könnten. Oder Sie uns, z.B. wozu die »Kisten« gut seien oder aus welchem Material sie hergestellt sind, worauf wir etwas antworten, z.B. dass »Kiste« ein furchtbar ungehobelter Ausdruck für so feine Kunsttischlerei ist. Was dann folgt, ist völlig offen. Vielleicht bedanken Sie sich für die Information und gehen weiter. Vielleicht fragen Sie aber nach, und vielleicht stellt sich dabei heraus, dass Sie selbst zum Thema etwas beizutragen haben – bestenfalls sogar etwas, das neu für uns ist. Weil sie von Ihrer Mutter eine alte Schatulle geerbt haben. Weil Sie Tischler oder Förster sind und sich mit Holz auskennen. Weil sich in Ihrem Kloster eine berühmte Sammlung mittelalterlicher Schatullen befindet. Weil Sie Führungen im Lackmuseum anbieten. Viele von Ihnen haben dann tatsächlich eine Schatulle bei uns gekauft: einige sofort oder ein paar Tage später, einige Jahre später. Andere haben uns ein altes Stück zur Reparatur vorbeigebracht, damit wir an unserer kleinen Werkbank im Stand eine neue Schlüssellochfassung einbauen oder eine zerkratzte Schellackpolitur erneuern. Und manche wurden über die Jahre zu treuen Besuchern, die kamen, um das im letzten Winter begonnene Gespräch fortzusetzen, am besten bei einem auf dem Gaskocher selbstgebrauten Glühwein, dessen Gewürze das Haus Niggemeier freundlich beisteuerte.

Was ich eigentlich sagen will: Vielen Dank für all die schönen Begegnungen und für treue Kundschaft! Ohne Sie wären wir nicht das geworden, was wir heute sind.

 

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